NZZ: Bewusst zeitgenössisch

“Ihr Studium hat Elena Schwarz vor nicht allzu langer Zeit abgeschlossen, dennoch ist die dreissig Jahre alte Dirigentin bereits international unterwegs: Im vergangenen Juli etwa assistierte sie im französischen Orange ihrem finnischen Kollegen Mikko Franck. Eine Woche später war sie in Tel Aviv, wo sie mit ihrem Partner lebt, und im August geht es nun für sie ans Lucerne Festival. Dort wird sie ein Konzert mit Werken von Olga Neuwirth dirigieren. Ein nächster Meilenstein ihrer beginnenden Karriere wird im Oktober das Finale der «Talents Adami Chefs d’Orchestre» in Paris sein.

Schon während ihres Studiums bei Laurent Gay und Arturo Tamayo in Genf und Lugano war für Schwarz die Musik unserer Zeit zentral. Bis zu ihrem Studienabschluss 2014 dirigierte sie bewusst vorwiegend zeitgenössische Musik. Sie arbeitete mit kleineren Ensembles und fand damit zu einer musikalischen Freiheit, die sie so als Dirigentin nicht kannte. In der Zusammenarbeit und im gemeinsamen Entziffern von komplexen Partituren eignete sie sich ihre präzise Zeichengebung an.

Bereichernd, so sagt sie im Gespräch, waren für sie immer auch Projekte, bei denen sie in einen direkten Dialog mit den Komponisten treten und aus erster Hand erfahren konnte, was sie mit ihren Klängen und Konzepten ausdrücken wollen. Erst später hat sich Schwarz, die in Lugano aufgewachsen und schweizerisch-australische Doppelbürgerin ist, auch die Werke des klassisch-romantischen Repertoires zu erarbeiten begonnen. Dabei kam ihr zugute, dass sie neben dem Dirigieren auch Violoncello und Musikwissenschaft studiert hat.

Für die kommende Saison ist sie als Gastdirigentin unter anderem bei der Lausanne Sinfonietta und beim Trondheim Symphony Orchestra eingeladen. Beim Trondheimer «Princess Astrid»-Wettbewerb gewann sie 2014 den ersten Preis. Ausserdem wurde Schwarz vom australischen «Conductor Development Program» gefördert, was ihr erlaubte, regelmässig in ihrer zweiten Heimat aufzutreten und Kontakte zu knüpfen.

Künftig möchte sie sowohl neue wie auch ältere Musik dirigieren, sie verspricht sich weitere Impulse aus dem Dialog zwischen den unterschiedlichen Stilen. Auf Musikportalen ist Schwarz bereits als Dirigentin vertreten, eine erste kommerziell produzierte Einspielung soll bald erscheinen. Es ist eine Aufnahme von Alban Bergs Kammerkonzert, das sie seit vielen Jahren begleitet. Sie hat es unter anderem mit Péter Eötvös erarbeitet – einem der Dirigenten, die sie besonders geprägt haben. In Bergs Kammerkonzert ist es die Kombination der durchorganisierten Struktur und des dennoch gelösten Klangs, die sie fasziniert. Allgemein schätzt sie an der Musik der Schönberg-Schule, dass diese zwar für die damalige Zeit sehr modern war, gleichzeitig aber ein Fenster in die weiter zurückliegende Vergangenheit öffnet.”

Neue Zürcher Zeitung, Moritz Weber, 13.08.2016